Der ultimative Gefühls-Guide
In meiner Arbeit bemerke ich, dass es beim Thema “Gefühle” immer wieder Missverständnisse und Unklarheiten gibt. Dabei sind Gefühle und Emotionen ein zentraler Bestandteil der Traumaheilung.
Deswegen gibt es heute alle relevanten Informationen über die Gefühle des Menschen, insbesondere in Hinblick auf Bindungstrauma.
Bevor wir in die Details einzelner Gefühle gehen, verschaffen wir uns zuerst eine Übersicht:
Die 17 Gefühlsräume
Wut
Trauer
Depression
Traurigkeit
Schuld
Scham
Angst
Ekel
Mangel
Verachtung
Überraschung
Vertrauen
Freude
Selbstachtung
Wertschätzung
Interesse
Zuversicht
Und nun schauen wir uns diese Gefühlsräume im Detail an:
Wut
Biologischer Trigger: Übergriffigkeit, z.B.
Bedrohung
Beleidigung
Ungerechtigkeit
Wahrnehmung: Es ist sicher genug
Ich muss mich verteidigen und bin (wahrscheinlich) überlegen
Ich kann meinen Frust sicher rauslassen
Biologischer Zweck: Durchsetzen
Wehren, Verteidigen
Grenzsetzung
Abgrenzen, Distanz schaffen
Schutz (z.B. von Werten, Selbstwert, körperlicher Unversehrtheit)
Biologische Körperreaktion: Vorbereitung auf einen Kampf
Freisetzung körperlicher Ressourcen über Aktivierung des sympathischen Nervensystems: Herzfrequenz, Atemfrequenz und Blutdruck steigen, Adrenalinanstieg - Wärme entsteht
Stress
erhöhte Wachsamkeit, Fokus auf das Wutobjekt
Anspannung des Körpers (Zweck: Schutz der inneren Organe)
Reduzierte Schmerzwahrnehmung
Herabsetzung der Hemmschwelle für Gewalt (körperlich, verbal)
Reduzierung von Zugriff auf das Großhirn (z.B. auf das soziale Interaktionssystem und den bewussten Verstand)
Archaische, autonome Hirnregionen (Hirnstamm, limbisches System) übernehmen vermehrt die Kontrolle
Gefühle aus dem Wutspektrum:
Wut
Aggression
Zorn
Genervtheit
Empörung
Mögliche Verzerrung durch Bindungstrauma:
Unverhältnismäßige Wut-Reaktion: Es wird vom System zwar das Gefühl aus dem Wutspektrum erzeugt, welches eine Entsprechung zur Situation passt, jedoch nicht verhältnismäßig. Also: zu geringe Reaktion oder übersteigerte Reaktion
Keine Wut-Reaktion: Das Gefühl aus dem Wutspektrum bleibt trotz Übergriffigkeit und objektiver Sicherheit vollständig aus. Stattdessen zeigen sich Gefühle, die keine Entsprechung zur Situation haben oder gar keine emotionale Reaktion
Fehlerhafte Wut-Reaktion: Das System empfindet ein Gefühl aus dem Wutspektrum, obwohl es keinen objektiven Auslöser gibt
Trauer
Biologischer Trigger: Verlust von Bindung, z.B.
Trennung
Tod
Wahrnehmung: Es ist permanent
Ich haben ihn/sie verloren
Ich möchte ihn/sie wieder bei mir haben
Biologischer Zweck: Bindung erhalten
Kümmern um Bindungen, um das Gefühl von Trauer zu vermeiden
evolutionsbiologisch geht es um den Erhalt der Menschheit
Biologische Körperreaktion: Schmerz
emotionaler Schmerz
Weinen
Mentaler Fokus auf den Verlust
Appetitveränderungen
Schlafprobleme
Motivationsverlust
Lustlosigkeit
Gefühle aus dem Spektrum von Trauer:
Trauer
Melancholie
Bedauern
Weinerlich
Einsamkeit
Bestürzt
Kummer
Vermissen
Jammern
Mögliche Verzerrung durch Bindungstrauma:
Zu milde Trauer-Reaktion: Wenn sich bei Verlust von Bindung kaum Trauer zeigt, dann kann eine bindungstraumatische Veränderung des emotionalen Systems vorliegen: Bindungsunfähigkeit, Bindungsangst, narzisstische Muster, Autonomietrauma, usw. Der Mensch hat Schwierigkeiten damit Bindung aufzubauen oder keinen Zugang zur Trauer. Wahrscheinlich ist, dass die Gefühle von Trauer als Kind zu stark waren und dass das System den Gefühlsraum daher deckelt - mit schweren Folgen für die Bindungsfähigkeit.
Zu starke Trauer-Reaktion: Wenn der Mensch bei einem Verlust (z.B. des Beziehungspartner) in ein kindliches Muster verfällt, scheint ebenfalls der Verdacht nahe, dass es sich um ein Bindungstraumamuster handelt. Dieses Mal aus dem anderen Spektrum: Heteronomie-Typ ,Verlustangst-Typus, Hochsensibel. Bei diesem System reagiert der Emotionsraum, wie beim Verlust der Mutter als Kind. Mit Todesängsten, Panikattacken und Verzweiflung. Auch diese Reaktion ist als Erwachsener nicht verhältnismäßig und beruht darauf, dass das (emotionale) System noch in der Kindheit verhaftet ist.
Trauer-Reaktion ohne Entsprechung: Eine dritte Verzerrung ist, wenn sich Trauer ohne einen (realen) Verlust zeigt. Möglicherweise durch Gedanken an frühere Verluste, die lange her sind. Durch Gedanken an die Kindheit. Oder durch eine Phastasiebindung. Es kann sich auch Trauer ohne bestimmte Gedanken zeigen. Die Trauer aus der Kindheit strömt an die Oberfläche.
Depression
Biologischer Trigger: Hoffnungslosigkeit
keine Perspektive
keine Interessen
kein Sinn
Wahrnehmung: Es gibt keinen Ausweg
Egal was ich mache, ich werde für immer leiden
Ich werde nie wieder Freude empfinden
Biologischer Zweck: Energie sparen
sozialer Rückzug
Isolation
Motivationsverlust
Biologische Körperreaktion: Vorbereitung auf den Tod
Suizidgedanken
Taubheit
Erstarrung (“Freeze”)
Gefühle aus dem Spektrum der Depression:
Depression
Hilflosigkeit
Hoffnungslosigkeit
Resignation
Leere
Elend
Depression und Bindungstrauma:
Depression kann eine (mittelbare) Folge von Bindungstrauma sein. Es gibt verschiedene Wege:
wenn dem System grundsätzlich Wehrhaftigkeit fehlt (z.B. durch unterdrückte Wut), kann der Eindruck einer Hilflosigkeit entstehen
als Kind war die Situation tatsächlich hoffnungslos (keine Chance auf Veränderung oder Flucht) und entsprechend reagierte das System mit Resignation. Diese Grundidee (“Es ist hoffnungslos”) kann sich dann auch auf das Gefühlsleben als Erwachsener projizieren
wenn das Nervensystem als Erwachsener auf Grund von Bindungstrauma chronisch übererregt ist (Sympathikus, Kampf-oder-Flucht-Modus), kann das System ausbrennen. Die Folge ist ein Zustandswechsel des Nervensystems (Parasympathikus, dorsaler Vaugs, Shut-Down)
durch Bindungstrauma kann der Mensch Schwierigkeiten haben gesunde Beziehungen aufzubauen. Entweder der Mensch hat keine Verbindung oder es kommt zu nur zu oberflächlichen, oder gar toxischen Verbindungen. Das alles kann das System in depressive Gefühlsräume befördern.
Traurigkeit
Biologischer Trigger: Ablehnung
negative Rückmeldung
Absage (z.B. Treffen, Bewerbung, Jobverlust)
sozialer Ausschluss
Wahrnehmung: Ich bin es nicht wert
Ich bin einfach nicht genug für den Job
Er hat bestimmt etwas besseres zu tun, als sich mit mir zu treffen
keiner hier mag mich
Biologischer Zweck: Selbstwerterhalt
Ermutigung Anpassung und Veränderung
Signalisierung von persönlichen oder sozialen Problemen
vermehrte Anstrengung
Erhalt sozialer Verbindungen und Verpflichtungen
In dem das System das Gefühl von Traurigkeit (Leidenszustand) nicht fühlen möchte, versucht es sich also zu adaptieren, um in zukünftigen Situationen den Selbstwert vermehrt zu erhalten.
Biologische Körperreaktion: Leiden
Weinen
Kraftlosigkeit
Niedergeschlagenheit
Gefühle aus dem Spektrum von Traurigkeit:
Traurigkeit
Selbst(mitleid)
Eifersucht
sich beleidigt fühlen
sich verraten fühlen
Ablehnung
Mögliche Verzerrung durch Bindungstrauma:
Fehlerhafte Reaktion: Das System reagiert mit Traurigkeit, obwohl es objektiv keine Ablehnung gab. Die Ablehnung ist lediglich Teil der Wahrnehmungsverzerrung auf Grund von Bindungstrauma.
Überstarke Reaktion: Dass Ablehnung das Gefühl von Traurigkeit erzeugt ist physiologisch. Wenn eine einfache Ablehnung jedoch großes Leid hervorruft, dann kann es um eine Verzerrung auf Grund von Bindungstrauma handeln.
Kein Zugriff: Wenn es auf das Gefühl von Traurigkeit gar keinen Zugriff gibt, dann ist das ebenfalls eine Bindungstraumafolgestörung. Wenn die Traurigkeit abgespalten ist, dann führt das dazu, dass auch positive Gefühle gar nicht mehr, oder nicht mehr stark, gefühlt werden können.
Substitutionsgefühle: Wenn bei Ablehnung statt Traurigkeit primär andere Gefühle, wie Wut, Hass, Scham, Schuld, Selbstkritik, o.a. im System erscheinen, dann ist das eine weitere Möglichkeit, wie Traurigkeit durch Bindungstrauma verzerrt worden sein kann.
Schuld
Biologischer Trigger: Verletzung eigener moralischer Werte
sich entgegen der eigenen Moral verhalten
die eigenen Werte nicht vertreten
Inkohärenz im moralischen Selbstbild
soziale Erwartung schuldhaft nicht erfüllen
fahrlässiges Versagen bei Aufgaben und Pflichten
Wahrnehmung: Ich habe falsch gehandelt / Ich handle falsch
Wegen mir…
Das hätte ich nicht denken dürfen
Ich bin Schuld, dass…
Wenn er das wüsste…
Hätte ich das nicht gemacht, dann…
Biologischer Zweck: Aufrechterhaltung sozialer Normen
Halten an kollektiv aufgestellte Regeln
soziale Kalibrierung
sozialverträgliches Verhalten
Schutz von Bindungspersonen und der Allgemeinheit
Biologische Körperreaktion: Belastung
Aktivierung des sympathischen Nervensystems (Adrenalin, Cortisol…)
emotionales Stressgefühl
erhöhte Muskelspannung
Veränderungen in Appetit, Verdauung, Schlafverhalten
Gefühle aus dem Schuld-Spektrum:
Schuld
Reue
Bedauern
Selbstkritik, Selbstablehnung, Selbsthass
Mögliche Verzerrung durch Bindungstrauma:
Unverhältnismäßige Reaktion: gerade wenn man als Kind von der Hauptbindungsperson (häufig Mutter) Schuld suggeriert bekommen hat, kann das System als Erwachsener unverhältnismäßig stark auf Schuld-Trigger reagieren. Zum Beispiel hat man das Bedürfnis nach Autonomie und fühlt sehr schuldig, wenn man es einfordert. (z.B. im Bezug auf Mutter, Oma oder Partner)
Fehlerhafte Verschaltung: Es gibt Bindungstrauma-Konstellationen, in denen das Gefühl Schuld generiert, obwohl es objektiv keinerlei Hinweise darauf gibt.
Keine Schuld-Reaktion: Insbesondere bei Menschen, die viele narzisstische Anteile in sich tragen, kann die Schuldreaktion, trotz schuldhaftem Verhalten, vollständig ausbleiben.
Schuld als Substitutionsgefühl: In einigen Konstellationen, vor allem wenn Wut und/oder Trauer abgespalten sind, reagiert das System mit Schuld, statt gemäß Entsprechung mit Wut oder Trauer zu reagieren.
Scham
Biologischer Trigger: Verletzung des Selbstwertes
Demütigung
Bloßstellung
Ausgelacht werden
Fehler
Misserfolg
unangemessenes Verhalten in sozialen Situationen
gesellschaftliche oder soziale Erwartung nicht erfüllen
Wahrnehmung: Ich bin/war falsch
Ich bin nicht gut genug
Das ist mir unangenehm
Peinlich, dass mir das jetzt passiert
Ich habe versagt
Warum bin ich so anders?
Ich würde mich am liebsten auflösen
Jetzt denkt er schlecht über mich
Alle haben ein negatives Bild von mir
Ich sehe nicht gut genug aus
Biologischer Zweck: Anpassung im sozialen Gefüge
Anpassen
Nicht negativ auffallen
Nicht ausgeschlossen werden
Gemocht werden
Angenommen werden
Scham ist ein besonders starkes Gefühl, da ein Ausschluss aus einer Gemeinschaft vor nicht allzu langer Zeit noch den sicheren Tod bedeutet hätte. Und darauf ist unser Nervensystem noch eingestellt.
Biologische Körperreaktion: Unsicherheit
Wärmeentwicklung
Schockgefühl
Erröten
Herzrasen
Beschleunigte Atemfrequenz, flache Atmung
Verspannung
innere Unruhe
Beine werden weich
unsicherer Gang
verstärktes Schwitzen
Vermeidungs- / Fluchtverhalten
Gefühle aus dem Scham-Spektrum:
Scham
Peinlichkeit
Demütigung
Minderwert
Unsicherheit
Unbehagen
Soziale Phobie
Mögliche Verzerrung durch Bindungstrauma:
Toxische Scham: Der Mensch gerät in Scham, ohne, dass es dafür eine reale Entsprechung gäbe. Bereite kleinste soziale Interaktionen können den Menschen in Scham versetzen. Gerade wenn die Bindungspersonen das Kind beschämt haben oder es Erfahrung mit Mobbing gibt, kann diese Verzerrung eintreten.
Übermäßige Scham: Leicht unangenehme Situationen lösen beim Menschen eine enorme Scham aus.
Persistente Scham: Der Mensch leidet nachhaltig an unangenehmen Situationen aus der Vergangenheit (z.B. durch wiederkehrende Bilder im Kopf)
Kein Schamgefühl: Bei Menschen, die viele narzisstische Anteile haben, kann die Scham ausbleiben, obwohl es eine Entsprechung im Außen dafür gibt.
Scham als Substitution: Gerade wenn der Gefühlsraum der Wut unterdrückt ist, kann das System bei Übergriffigkeit Scham statt Wut (was physiologisch wäre) fühlen.
Internalisierte Scham: Menschen, die durch Bindungstrauma einen niedrigen Selbstwert haben, sich pauschal unwürdig oder minderwertig fühlen, können ein dauerhaftes Gefühl von Scham wahrnehmen. Das führt häufig zu sozialem Rückzug und Isolation.
Angst
Biologischer Trigger: Wahrnehmung von Gefahr
physische Bedrohungen
existenzielle Gefahr
Unsichere Zustände
Bedrohung des optimalen Selbstbildes
Zu erwartende stark negative Empfindungen (Schmerz, Leid, Wohlstandsverlust, Scham, Angst, usw.)
Formel: Wahrscheinlich des Eintritts der Gefahr x Katastophengrad bei Eintritt = Wahrgenommene Angst
Wichtige Anmerkung: Angst wird in der Gehirnreagion Amygdala gebildet. Je größer diese Hirnregion bei einem Menschen ausgeprägt ist, desto schneller und desto mehr Angst wird er fühlen.
Wahrnehmung: Es ist nicht sicher
Wenn das passiert, dann…
Was mache ich nur, wenn…
Das wird richtig schlimm!
Biologischer Zweck: Vermeiden von Gefahr
Erhaltung der physischen oder psychischen Unversehrtheit
Erhaltung des Lebensstandards
Vermeiden von Schmerz und Leid
Überleben
Vermeiden von sozialem Ausschluss
Erhalt des optimalen Selbstbildes
Erhalt von wahrgenommener Sicherheit
Du siehst, dass es bei Angst nicht nur um eine primive Reaktion des Körpers handelt, um das Überleben zu sichern. Es geht um viel mehr. Angst ist ein überaus komplexes Geschehen.
Biologische Körperreaktion: Stress
Stressreaktion des Körpers (Ausschüttung von Stresshormonen und damit verbundenen Körperreaktionen)
Grundsätzlich ist ein Angst nicht per se ein Gefühl. Vielmehr gerät der Körper in Stress. Und je höher des Grades an Stress ist, desto mehr nehmen wir diesen körperlichen Stress als Angst wahr.
Gefühle aus dem Angst-Spektrum:
Sorge
Angst
Pessimismus
Nervosität
Besorgnis
Phobie
Panik
Mögliche Verzerrung durch Bindungstrauma:
Über Angst und Bindungstrauma müsste ich ganz sicher einen einzelnen Artikel schreiben - nein. Ein ganzes Buch.
In diesem Rahmen beschränke ich mich auf das Wesentliche:
Für jede Angst im Bindungskontext, die unverhältnismäßig (den Umständen entsprechend zu stark oder zu schwach) ist, kann Bindungstrauma als Ursache in Frage kommen.
Außerdem auch, wenn Angst ohne eine reale Entsprechung auftritt. Zum Beispiel auf Grund von Angstgedanken, die objektiv keinen Realitätsbezug haben.
Grundsätzlich jedoch, und das ist wichtig, sind Ängste gesund und normal. Und dazu gehören auch Angst vor Ablehnung, Verlustängste oder Angst vor Einsamkeit und Beziehungslosigkeit.
Ganz wichtig und deswegen betone ich das so eindeutig: Diese Ängste sind normal und gesund! Wenn es keine Angst vor Ablehnung, keine Angst vor Verlust oder keinerlei Angst vor ewiger Beziehungslosigkeit im System gibt, kann das genauso ein Zeichen für Bindungsangst sein, als wenn diese Ängste in einem extremen Maße auftreten.
Wenn Ängste aus dem Bindungskontext also, wie bereits erwähnt, nicht in einem gesunden, physiologischen Maße auftreten, darf an Bindungstrauma gedacht werden:
extreme Angst vor Ablehnung, die so weit geht, dass man sich nicht traut überhaupt auf Menschen zuzugehen
Verlustangst, ohne, dass es überhaupt Anzeichen dafür gibt, dass man verlassen werden könnte oder eine Verlustangst, die in Panikzuständen (Todesangst) mündet
Angst vor Verletzung, die dazu führt, dass man sich Bindung gegenüber verschließt oder Bindung sabotiert (z.B. über extreme Erwartungen oder ein übertrieben negatives Selbstbild)
Angst vor Nähe, ohne dass diese eine reale Gefahr darstellt
Angst vor Sexualität oder Körperlichkeit, ohne, dass der Partner eine echte Bedrohung für die sexuelle Selbstbestimmtheit oder die körperliche Unversehrtheit wäre
Grundsätzliche Angst vor Intimität oder dem Austausch von Gefühlen
Angst vor Konflikten, wenn diese objektiv keine Gefahr für das Selbstbild, den Selbstwert oder die körperliche Gesundheit darstellen
Angst vor Vertrauensbruch, wenn es keine Anzeichen für Misstrauen gibt
Eine grundsätzliche Angst vor Kontrollverlust
Grundsätzliche Angst vor Veränderung
usw.
Du siehst, über dieses Thema könnte ich noch ewig schreiben. Doch ich denke es ist Zeit zum nächsten Gefühl zu kommen.
Ekel
Biologischer Trigger: Gesundheitsgefahr
Geruch
Geschmack
visuelle Wahrnehmung
Wahrnehmung: Das ist nicht gesund für mich
das sollte ich lieber nicht essen
von dem Menschen sollte ich mich fernhalten
das ist abstoßend
bleib weg!
das ist ja widerlich!
Biologischer Zweck: Gesunderhaltung
nicht krank werden
keine giftigen Lebensmittel konsumieren
Schutz vor Krankheitsübertragung
Das Gefühl von Ekel geht noch über die eigene Gesunderhaltung hinaus. Es geht auch um eine gesunde nächste Generation. Sexueller Ekel hat den Zweck die Genetik der nächsten Generation zu schützen.
Biologische Körperreaktion: Übelkeit
Unwohl sein
Brechreiz
Bauchschmerzen
Schüttelfrost
Beschleunigter Herzschlag
Fluchtreaktion, Distanzierung
Gefühle aus dem Spektrum von Ekel:
Ekel
Abneigung
Abscheu
Angewidert sein
Mögliche Verzerrung durch Bindungstrauma:
grundsätzliches Ekelgefühle bei Sexualität
Ekel bzgl. des eigenen Körpers
übertriebene Reinlichkeit
Ekel davor Menschen anzufassen oder berührt zu werden
Ekel in Bezug auf soziale Situationen
Das Gefühl, dass bestimmte Menschen eklig sind, ohne dass das objektiv / biologisch begründbar wäre
Mangel
Biologischer Trigger: Wahrnehmung / Erwartung von Mangel
Jemand hat etwas, was ich gerne hätte
Es gibt etwas, was ich nicht habe, aber brauche
Der “Ist”- und der “sollte sein”-Zustand weichen voneinander ab
Mir wird etwas weggenommen
Wahrnehmung: Mir fehlt etwas / mir könnte etwas fehlen
warum hat er das und ich nicht
das steht mir eigentlich zu
das ist total unfair
wie soll ich das ohne dich schaffen?
wenn ich ihm das gebe, dann fehlt es mir nachher
Biologischer Zweck: Ressourcenaufbau
Überlebenswahrscheinlichkeit erhöhen
Lebensqualität steigern / beibehalten
Biologische Körperreaktion: Wut
Stress im Körper (Symathikus-Aktivierung)
Bereitstellung von Energie für Ausgleich des Mangels (biologisch!)
Gefühle aus dem Spektrum von Mangel:
Neid
Gier
Geiz
sich unfair behandelt fühlen
Frustration
Enttäuschung
Ungeduld
Verlangen
Sehnsucht
Mögliche Verzerrung durch Bindungstrauma:
Bei Bindungstrauma gibt es Geiz- und Gier-Verzerrungen. Diese habe ich hier beschrieben. Man hält im Kontakt chronisch Ressourcen zurück oder fordert Ressourcen von anderen auf ungesunde Weise ein
übersteigerter oder chronischer Neid
sich ständig unfair behandelt fühlen, obwohl dies einer objektiven Beurteilung nicht Stand halten würde. Oder ein kindliches Verhalten im Bezug auf Unfairness. Erwachsene akzeptieren, dass die Welt nicht immer fair ist.
in Bindung zu schnell frustriert (Aufgeben, Trennen), ungeduldig oder enttäuscht (Beleidigt) sein
übersteigertes Verlangen nach Bindung, Kontakt und Liebe (“Heteronomie-Verzerrung”)
Sehnsucht nach Menschen, die schon lange kein Teil des Lebens mehr sind
Verachtung
Biologischer Trigger: moralische Verurteilung
eine andere Person verhält sich dauerhaft “falsch”
Geringschätzung
Wahrnehmung: Fehler, Mangel, Verfehlung
ich hasse dich
du bist ein schlechter Mensch
Biologischer Zweck: Selbstschutz
Distanzierung von Menschen, die sich nicht den eigenen moralischen Vorstellungen nach verhalten
Biologische Körperreaktion: Hass
Stress im Körper (Symathikus-Aktivierung)
Bereitstellung von Energie für Distanzierung
Gefühle aus dem Spektrum der Abneigung:
Verachtung
Rachegefühle
Abneigung
Hass
Feindseligkeit
Mögliche Verzerrung durch Bindungstrauma:
Verachtung richtet sich auf sich selbst
Gefühle der Verachtung entstehen ohne biologisch ausreichende Entsprechung
Übermäßiger Ausdruck von Gefühlen der Verachtung
Nicht dazu in der Lage sein Verachtung zu fühlen (unterdrückte Gefühlsräume)
unverhältnismäßig intensive Gefühle der Verachtung (oft bei Narzissmus)
Überraschung
emotionale Reaktion auf unerwartetes Ereignis
die einzige Relevanz auf Trauma wäre der Schock, aber das wird an dieser Stelle nicht weiter thematisiert
Gefühle aus dem Spektrum: Staunen, Verblüffen, Unglaube, Faszination, Verwirrung
Vertrauen
Sicherheit fühlen, im Bezug auf etwas oder jemanden
Im Bindungskontext spielt Vertrauen eine große Rolle
Wenn man als Kind zu wenig Sicherheit und/oder Verbindlichkeit erfahren hat, dann ist das grundsätzliche Vertrauen gestört. Es darf durch Bindungstraumaarbeit wieder aufgebaut werden.
Vertrauen ist nichts, was man bewusst erzeugen könnte. Es ist ein Zustand des Nervensystems und abhängig von zahllosen autonomen intrinsischen und extrinsischen Faktoren.
ein verhältnismäßiges Misstrauen in der Bindung ist normal und gesund
Freude
Trigger: Erfolg, Bindung, Vergnügen
Körperreaktion: Entspannung, Wohlgefühl (ventraler Vagus)
Gefühle: Glück, Freude, Erleichterung, Zufriedenheit, Euphorie, Heiterkeit, Ausgelassenheit, Erfüllung
Verzerrung: Durch Bindungstrauma tendiert das Nervensystem zu Stresszuständen (Sympathikus) und Shut-Down (dorsaler Vagus). In beiden Zuständen ist Zugriff auf Gefühlsräume der Freude (ventraler Vagus) beschränkt.
Hinweis: Das ist vereinfacht ausgedrückt und wissenschaftlich nicht ganz korrekt, trifft aber den entscheidenden Punkt.
Selbstachtung
Gefühle: Selbstachtung, Stolz, Selbstsicherheit, Selbstzufriedenheit, Würde, Selbstermächtigung, Ehrgefühl, Selbstakzeptanz
Stolz-Verzerrung: Eine Folge von Bindungstrauma ist die Stolz-Verzerrung. Bei dieser tritt eine übersteigerte, oberflächliche Form des Stolzes auf, um verletzliche Ebenen (Scham, Minderwert, Traurigkeit,…) zu “schützen”. In diesem Podcast habe ich ausführlich davon berichtet.
Stolz-Aversion: Eine andere Bindungstraumafolgestörung ist eine grundsätzliche Ablehnung von Stolz. Das natürliche Gefühl wird als per se falsch oder arrogant aufgefasst. Oder das System ist gar nicht in der Lage das Gefühl von Stolz zu generieren.
Selbstablehnung: In schwerwiegenden Fällen kann Bindungstrauma zu einer grundsätzlichen Ablehnung sich selbst gegenüber führen. Gefühle der Selbstachtung können nicht gefühlt und wahrgenommen werden.
Wertschätzung
Gefühle: Wertschätzung, Dankbarkeit, Anerkennung, Respekt, Würdigung, Bewunderung, Wohlwollen, Achtung, Sympathie, Empathie
Narzissmus: Wenn das System durch Bindungstrauma zu viele narzisstische Anteile hat, dann werden Gefühle der Wertschätzung nicht oder kaum empfunden
Nervensystem: Wenn sich das System im Zustand der Übererregung (Sympathikus) oder der Untererregung (dorsaler Vagus) befindet, ist die Fähigkeit auf Gefühle der Wertschätzung zuzugreifen beschränkt. Es kann dann weniger Dankbarkeit, Wohlwollen oder Empathie empfunden werden.
Heteronomie-Verzerrung: Die Heteronomie-Verzerrung ist eine Folge von Bindungstrauma. Wenn sie ausgeprägt auftritt, können die Gefühle der Wertschätzung für einen anderen anderen Menschen unverhältnismäßig ausgeprägt auftreten.
Interesse
Gefühle: Interesse, Neugierde, Faszination, Begeisterung, Entdeckungsdrang, Wissbegierde, Enthusiasmus, Motivation, Engagement, Eifer, Leidenschaft, Inspiration
Verzerrung: Wenn sich das Nervensystem durch die Folge eines Bindungstraumas primär im Stress (Sympathikus) oder im Shut-Down (dorsaler Vagus) befindet, können Gefühle aus dem Spektrum von Interesse kaum oder gar nicht wahrgenommen werden.
Wenn das System durch Traumaarbeit dauerhaft (primär) in den Zustand des ventralen Vagus (Entspannung) versetzt wird, zeigen sich auch die Gefühlsräume des Interesses.
Zuversicht
Gefühle: Zuversicht, Hoffnung, Optimismus, Glaube, Entschlossenheit, Mut, Vorfreude
Verzerrung: Menschen mit Bindungstrauma haben es in der Kindheit schwer gehabt, Zuversicht aufrecht zu erhalten. Denn die Erfahrung war: “Es ist hoffnungslos.” Deswegen neigen Menschen mit Bindungstrauma dazu, die Gefühle aus dem Spektrum der Zuversicht zu wenig oder gar nicht wahrzunehmen.
Um die Gefühlsräume zu integrieren und zu entzerren, kann Traumaarbeit helfen. Wenn du dich darüber informieren möchtest, wie das funktioniert, kannst du einmal hier klicken: