Traumatherapie ist nicht genug!

Traumatherapie kann einen von Trauma betroffenen Menschen in tiefes Unglück stürzen, wenn sich der Therapeut einer entscheidenden Sache nicht bewusst ist:

Was.

kommt.

danach?

Wenn wir dem Klienten helfen sich von den Folgen von Trauma zu befreien, was bleibt dann? Ein großes Loch! Es ist die Aufgabe des Therapeuten dem Klienten zu helfen, dieses Loch zu füllen.

Wie entsteht dieses Loch und warum entsteht es?

Und wie kann der Therapeut helfen das Vakuum zu füllen, welches durch Traumatherapie unweigerlich entsteht?


Die Traumaidentität

Wenn wir mit Trauma / Bindungstrauma / Entwicklungstrauma aufgewachsen sind, dann kennen wir kein anderes Leben.

Wir haben eine Identität, bzw. ein Selbstbild, ausgebildet, welches maßgeblich von unserem Trauma beeinflusst wurde.

Denn die Identitätsbildung beginnt bereits in frühester Kindheit. Der Entwicklungspsychologe Erik Erikson beschreibt, dass sich die Identität bildet, in dem wir versuchen unseren Platz im Umfeld zu finden.

Es entstehen:

  • soziale Identität (z.B. Zugehörigkeit zu Gruppen, siehe Forschungen von Tajfel und Turner)

  • persönliche Identität (Vorlieben, Interessen, persönliche Geschichte)

  • Selbstkohärenz (sich selbst als eine Person “stimmig” wahrnehmen)

  • Rollenidentität (z.B. im Beruf, in der Familie, als Partner, usw.)


Ohne Trauma können sich diese Identitäten gesund gemäß unseres Wesenskerns (grundlegende, angeborene Aspekte unseres Charakters, siehe Karen Horney) entwickeln.

Aber mit Trauma kommt es zu einer Verzerrung der Identitäten.

Sobald wir eine erfolgreiche Traumaheilung durchlaufen haben, werden wir uns mehr in Richtung unseres Wesenskerns entwickeln. Die soziale Identität, die persönliche Identität, die Selbstkohärenz und auch die Rollenidentität gerät aber ins Wanken.

Plötzlich können wir uns mit der Traumaidentität nicht mehr identifizieren. Dadurch entsteht ein Vakuum.

Wer bin ich jetzt?

Was mache ich hier?

Was will ich eigentlich?

Was brauche ich wirklich?

Mit wem will ich nun sein?

Was will ich in Wirklichkeit tun?

Usw.


Eine neue Identät

muss erschaffen werden. Der Klient ist mit dieser Aufgabe in aller Regel überfordert. Aber ohne Identität kann der Mensch nicht leben und der Aufbau einer neuen Identität erzeugt Angst und Unsicherheit.

Deswegen können nach der Traumatherapie zwei Dinge passieren:

  1. Der Klient fällt in eine Identitätskrise, die in schlimmen Fällen in der Klinik enden kann

  2. Der von Trauma geheilte Mensch, flüchtet (unbewusst) zurück in seine Traumaidentität

Deswegen ist es absolut entscheidend, dass der Therapeut dem Klienten nicht nur hilft, sich von Trauma zu befreien, sondern ihn auch dabei unterstützt eine neue Identität - außerhalb der traumainduzierten Strukturen - zu etablieren. Darin sollte der Therapeut geübt und geschult sein.

Wie macht er das?

Eine Traumaidentität kann aus Mustern bestehen wie:

  • ich bin es nicht wert eine gesunde Partnerschaft zu führen

  • ich darf nicht glücklich sein, sonst passiert mir etwas Schlimmes

  • man kann niemandem vertrauen

  • wenn ich in jemanden Gefühle investiere, werde ich verletzt

  • ich muss mich beweisen, sonst weiß ich nicht, wer ich bin

  • ich bin ein Opfer und vollkommen machtlos

  • wenn ich mich nicht anpasse, werde ich zerstört

  • ich bin ein trauriger Mensch

  • wenn ich mich öffne, wird das von anderen ausgenutzt

  • usw.

Sobald diese Ideen aufgelöst sind, ist es in der Verantwortung des Therapeuten, neue Muster zu etablieren. Nicht irgendwelche, sondern Muster, die der Klient organisch und intrinsisch entwickelt, nur noch nicht vollkomen wahrnehmen und annehmen kann.

Es geht nicht darum eine “Fake-Persona” zu erschaffen, sondern dem Klienten mit den richtigen Fragen und Spiegelung dazu zu verhelfen sich selbst zu finden und anzunehmen.


Wie stark Identität ist

erkennt man am Beispiel der dissoziativen Identitässtörung (DIS, früher auch multiple Persönlichkeit).

Im Buch "The Haunted Self: Structural Dissociation and the Treatment of Chronic Traumatization" von Onno van der Hart, Ellert Nijenhuis und Kathy Steele wird ein eindrücklicher Fall beschrieben, der meine Sicht auf das Thema Identität nachhaltig geprägt hat.

Eine junge Frau lebte mit neun verschiedene Persönlichkeiten. Die jeweiligen Identiäten sprachen anders, dachten anders und verhielten sich anders, als alle anderen. Sie hatten gänzlich andere Wünsche, Ideen, Vorstellungen, Bedürfnisse und Rollen.

Während eine der Persönlichkeiten z.B. selbstbewusst, klar und forsch war, ist eine andere schüchtern, leise und zurückhaltend gewesen.

Die Unterschiede im Selbstbild machten sich sogar körperlich bemerkbar.

Es gab Identitäten, die Alkohol vertrugen. Sie tranken z.B. drei Flaschen Bier und merkten nicht viel davon. Als das System, dann aber auf eine Persönlichkeit switchte, die keinen Alkohol vertrug, war die junge Frau sofort betrunken und musste sich teilweise sogar übergeben.

Eine Identität hatte z.B. Allergien, während andere körperlich nicht auf das Allergen reagierten.


Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, wie unglaublich wichtig die Identitätsbildung im Rahmen von Traumatherapie ist. Und dass Traumatherapeuten darin geschult werden sollten.

Es geht nicht nur darum Trauma aufzulösen oder Themen zu klären!

Deswegen sage ich: “Traumatherapie ist nicht genug!


Möchtest du jetzt noch mehr über die Wichtigkeit der Identitätsneubildung bei Bindungstrauma erfahren, dann schau dir jetzt gerne auch unser Video dazu an:

Bei der Deep-Connect-Methode geht es nicht (nur) um Traumatherapie, sondern um eine Transformation. Und auch um das Bilden einer gesunden Identität, basierend auf dem Wesenskern und intrinsischen Wünschen, Bedürfnissen und Motivationen.

Wenn du dich jetzt darüber informieren möchtest, dann klick gerne mal auf den Button hier:

Alexander Bohley

hilft Menschen aus Bindungs- und Entwicklungstrauma

Zurück
Zurück

Heilungsraum: Wenn sich Bindungstrauma auf den Therapeuten projiziert

Weiter
Weiter

Reinszenierung der Kindheit durch Entwicklungstrauma